Iš lietuvių kalbos žodžių istorijos: I. Lie. <em>gáirė;</em> II. Lie. <em><em>tóbulas</em></em>,<em><em> tób</em><em>ūlas </em></em>
<p><strong>AUS DER LITAUISCHEN WORTGESCHICHTE: I. Lit. <em>gáir</em></strong><strong><em>ė. </em></strong><strong>II. Lit. <em>tóbulas, tóbūlas</em></strong></p><p><em>Zusammenfassung</em></p&...
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2011-11-01
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description | <p><strong>AUS DER LITAUISCHEN WORTGESCHICHTE: I. Lit. <em>gáir</em></strong><strong><em>ė. </em></strong><strong>II. Lit. <em>tóbulas, tóbūlas</em></strong></p><p><em>Zusammenfassung</em></p><p>1. Lit. <em>gáirė </em>‘Zugluft; zugiger Ort’, <em>gairùs </em>‘zugig’ haben, wie bisher übersehen wurde, eine Entsprechung in air. <em>gaith, </em>mir. <em>gaíth, goíth, </em>nir. <em>gaoth </em>f. ‘Wind’ < urkelt. <em>*gai̯tā-. </em>Die Grundlage der litauischen Wörter bildet ein Adjektiv <em>*gaĩra-s </em>‘zugig’, das in nlit. <em>gairùs </em>fortlebt. Vom Adjektiv <em>*gairas </em>‘zugig’ wurde mit dem Suffix <em>-ē</em> in Kombination mit Métatonie rude <em>gáirė </em>(1) als Abstraktum ‘Zugig-Sein, das dem-Zugwind-ausgesetzt-Sein’ abgeleitet. Diese Bedeutung bildet den Ausgang für eine weitere semantische Entwicklung, deren Ergebnis etwa in folgender Weise aufzufächern ist: 1. ‘Durchzug, Luftzug, Zugwind’; 2. ‘ein dem Wind ausgesetzter Ort, ein vom Wind durchwehter Ort, zugiger Ort’; 2a. ‘hochgelegener Ort, Erhebung im Gelände’; 3. ‘etwas vom Wind Bewegtes, etwas im Wind Flatterndes, das die Windrichtung anzeigt, Wetterfahne, Windfahne, Windzeiger’; 3a. ‘eine in den Boden gesteckte Stange mit einer Wetterfahne’; 3b. ‘in den Boden gesteckte Stange zur Stütze sich in die Höhe rankender Pflanzen’; 3c. ‘(allgemein) Kennzeichen, Merkmal, Markierungszeichen’. Die im Litauischen zu beobachtende Bedeutungsentwicklung läßt es möglich erscheinen, gr. <em>χαίτη</em> ‘frei herabwallendes Haar, fliegendes Haupthaar (von Menschen); Mähne (von Pferden)’ als ‘das im Wind flatternde (Haar)’ mit kelt. <em>*gai̯tā- </em>‘Wind’ unter einem urindogermanischen Ansatz <em>*g<sup>h</sup>ái̯-tah<sub>2</sub>- </em>(oder <em>*g<sup>h</sup>h<sub>2</sub>ái̯-tah<sub>2</sub>-) </em>zu vereinen. Für das Litauische wäre dann von einem Adjektiv <em>*g<sup>h</sup>a i̯-ro- </em>auszugehen.</p>2. Die Herkunft von lit. <em>tóbulas, tób</em><em>ūlas </em>kann auf zwei verschiedene Weisen erklärt werden. Bei beiden Deutungen ergibt sich die Schwierigkeit, daß mit nicht belegtem (wohl aber mit als möglicherweise vorhanden anzunehmendem) Material zu argumentieren ist. Ein Vorteil der ersten Erklärung besteht darin, daß bei der Deutung in bewährter, herkömmlicher Weise vorgegangen und mit einer geradlinig verlaufenen Bedeutungsentwicklung gerechnet wird. Im ersten Falle könnte lit. <em>tóbulas </em>als Ableitung einer zu postulierenden Wurzelform <em>*teh<sub>2</sub>-b<sup>h</sup>- </em>‘heranreifen’ (Erweiterung der Wurzel <em>*teh<sub>2</sub>-) </em>aufgefaßt werden. Die Bedeutung ‘vollkommen’ wäre dann aus einem ‘zur Reife gelangt, bis zur vollen Reife und der damit verbundenen Ausbildung seiner idealen Beschaffenheit herangewachsen’ hervorgegangen. Das Material, das den Ansatz einer bisher nicht registrierten Wurzel <em>*teh<sub>2</sub>- </em>‘zur Reife heranwachsen, heranreifen’ nahelegt, ist folgendes: 1. lit. <em>atólas, </em>lett. <em>atāls, attals, </em>preuß. <em>attolis </em>‘Grummet’ < urbalt. <em>*attā́la-s; </em>nbulg. <em>otáva, </em>skr. <em>òtava, </em>russ. <em>otáva </em>u. a. ‘Grummet’ < urslav. <em>*oˈtava; </em>den baltischen und slavischen Wörtern liegen die Adjektiva <em>*at+ˈtā́-la-s </em>bzw. <em>*at + ˈtā́-u̯a-s </em>‘wieder nachgewachsen, sich wieder erholt habend’ < ‘wieder zur Reife herangewachsen’ zugrunde; 2. <em>gr. τα̃λις</em>‘junges heiratsfähiges Mädchen’ < <em>*táh<sub>2</sub>-li- </em>und <em>lit. talõkas </em>‘geschlechtsreifer junger Mann; mannbares Mädchen’ Weiterbildung von <em>*tala- < *tǝ<sub>2</sub>-lo- </em>‘zur Reife herangewachsen’. Mit größeren Schwierigkeiten behaftet ist und weniger orthodox wirkt eine zweite Möglichkeit der Deutung von <em>tóbulas. </em>Es könnte als Zusammenrückung <em>*tā́+būla-s </em>‘so (nämlich zu dem, worauf die Bezeichnung des durch das jeweilige Bezugswort zum Ausdruck gebrachten Begriffes wirklich zutrifft) geworden’ = ‘die ideale Beschaffenheit des jeweiligen Begriffes erreicht habend, vollkommen’ erklärt werden. <em>Tóbulas </em>müßte in diesem Fall durch Suffixwechsel mit Austausch des vermeintlichen Suffixes <em>-</em><em>ūla- </em>in analogischem Anschluß an das geläufigere <em>-ula- </em>aus <em>*tābūla-s </em>entstanden sein. Für das Verbaladjektiv <em>*bū́-la- </em>wäre dabei noch eine ältere, in slavisch <em>byti </em>neben ‘sein’ erhaltene Bedeutung ‘werden’ anzunehmen.<span id="mce_marker"> </span><p class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; mso-layout-grid-align: none;"><span style="font-family: Times New Roman;"><strong><span style="color: black; font-size: 9pt; mso-ansi-language: DE;" lang="DE">AUS DER LITAUISCHEN WORTGESCHICHTE: I. Lit. <em>gáir</em></span></strong><strong><em><span style="color: black; font-size: 9pt; mso-ansi-language: LT;">ė. </span></em></strong><strong><span style="color: black; font-size: 9pt; mso-ansi-language: LT;">II. Lit. <em>tóbulas, tóbūlas</em></span></strong></span></p><p class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; mso-layout-grid-align: none;"><em><span style="color: black; font-size: 9pt; mso-ansi-language: LT;"><span style="font-family: Times New Roman;">Zusammenfassung</span></span></em></p><p class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; mso-layout-grid-align: none;"><span style="font-family: Times New Roman;"><span style="color: black; font-size: 9pt; mso-ansi-language: LT;">1. Lit. <em>gáirė </em>‘Zugluft; zugiger Ort’, <em>gairùs </em>‘zugig’ haben, wie bisher übersehen wurde, eine Entsprechung in air. <em>gaith, </em>mir. <em>gaíth, goíth, </em>nir. <em>gaoth </em>f. ‘Wind’ < urkelt. <em>*gai̯tā-. </em>Die Grundlage der litauischen Wörter bildet ein Adjektiv <em>*gaĩra-s </em>‘zugig’, das in nlit. <em>gairùs </em>fortlebt. Vom Adjektiv <em>*gairas </em>‘zugig’ wurde mit dem Suffix <em>-ē</em> in Kombination mit Métatonie rude <em>gáirė </em>(1) als Abstraktum ‘Zugig-Sein, das dem-Zugwind-ausgesetzt-Sein’ abgeleitet. Diese Bedeutung bildet den Ausgang für eine weitere semantische Entwicklung, deren Ergebnis etwa in folgender Weise aufzufächern ist: 1. ‘Durchzug, Luftzug, Zugwind’; 2. ‘ein dem Wind ausgesetzter Ort, ein vom Wind durchwehter Ort, zugiger Ort’; 2a. ‘hochgelegener Ort, Erhebung im Gelände’; 3. ‘etwas vom Wind Bewegtes, etwas im Wind Flatterndes, das die Windrichtung anzeigt, Wetterfahne, Windfahne, Windzeiger’; 3a. ‘eine in den Boden gesteckte Stange mit einer Wetterfahne’; 3b. ‘in den Boden gesteckte Stange zur Stütze sich in die Höhe rankender Pflanzen’; 3c. ‘(allgemein) Kennzeichen, Merkmal, Markierungszeichen’. Die im Litauischen zu beobachtende Bedeutungsentwicklung läßt es möglich erscheinen, gr. <em>χαίτη</em> ‘frei herabwallendes Haar, fliegendes Haupthaar (von Menschen); M</span><span style="color: black; font-size: 9pt; mso-ansi-language: DE;" lang="DE">ähne (von Pferden)’ als ‘das im Wind flatternde (Haar)’ mit kelt. <em>*gai̯tā- </em>‘Wind’ unter einem urindogermanischen Ansatz <em>*g<sup>h</sup>ái̯-tah<sub>2</sub>- </em>(oder <em>*g<sup>h</sup>h<sub>2</sub>ái̯-tah<sub>2</sub>-) </em>zu vereinen. Für das Litauische wäre dann von einem Adjektiv <em>*g<sup>h</sup>a i̯-ro- </em>auszugehen.</span></span></p><span style="font-family: 'Times New Roman'; color: black; font-size: 9pt; mso-fareast-font-family: 'Times New Roman'; mso-ansi-language: DE; mso-fareast-language: LT; mso-bidi-language: AR-SA;" lang="DE">2. Die Herkunft von lit. <em>tóbulas, tób</em></span><em><span style="font-family: 'Times New Roman'; color: black; font-size: 9pt; mso-fareast-font-family: 'Times New Roman'; mso-ansi-language: LT; mso-fareast-language: LT; mso-bidi-language: AR-SA;">ūlas </span></em><span style="font-family: 'Times New Roman'; color: black; font-size: 9pt; mso-fareast-font-family: 'Times New Roman'; mso-ansi-language: LT; mso-fareast-language: LT; mso-bidi-language: AR-SA;">kann auf zwei verschiedene Weisen erklärt werden. Bei beiden Deutungen ergibt sich die Schwierigkeit, daß mit nicht belegtem (wohl aber mit als möglicherweise vorhanden anzunehmendem) Material zu argumentieren ist. Ein Vorteil der ersten Erklärung besteht darin, daß bei der Deutung in bewährter, herkömmlicher Weise vorgegangen und mit einer geradlinig verlaufenen Bedeutungsentwicklung gerechnet wird. Im ersten Falle könnte lit. <em>tóbulas </em>als Ableitung einer zu postulierenden Wurzelform <em>*teh<sub>2</sub>-b<sup>h</sup>- </em>‘heranreifen’ (Erweiterung der Wurzel <em>*teh<sub>2</sub>-) </em>aufgefaßt werden. Die Bedeutung ‘vollkommen’ wäre dann aus einem ‘zur Reife gelangt, bis zur vollen Reife und der damit verbundenen Ausbildung seiner idealen Beschaffenheit herangewachsen’ hervorgegangen. Das Material, das den Ansatz einer bisher nicht registrierten Wurzel <em>*teh<sub>2</sub>- </em>‘zur Reife heranwachsen, heranreifen’ nahelegt, ist folgendes: 1. lit. <em>atólas, </em>lett. <em>atāls, attals, </em>preuß. <em>attolis </em>‘Grummet’ < urbalt. <em>*attā́la-s; </em>nbulg. <em>otáva, </em>skr. <em>òtava, </em>russ. <em>otáva </em>u. a. ‘Grummet’ < urslav. <em>*oˈtava; </em>den baltischen und slavischen Wörtern liegen die Adjektiva <em>*at+ˈtā́-la-s </em>bzw. <em>*at + ˈtā́-u̯a-s </em>‘wieder nachgewachsen, sich wieder erholt habend’ < ‘wieder zur Reife herangewachsen’ zugrunde; 2. <em>gr. τα̃λις</em>‘junges heiratsf</span><span style="font-family: 'Times New Roman'; color: black; font-size: 9pt; mso-fareast-font-family: 'Times New Roman'; mso-ansi-language: DE; mso-fareast-language: LT; mso-bidi-language: AR-SA;" lang="DE">ähiges Mädchen’ < <em>*táh<sub>2</sub>-li- </em>und <em>lit. talõkas </em>‘geschlechtsreifer junger Mann; mannbares Mädchen’ Weiterbildung von <em>*tala- < *tǝ<sub>2</sub>-lo- </em>‘zur Reife herangewachsen’. Mit größeren Schwierigkeiten behaftet ist und weniger orthodox wirkt eine zweite Möglichkeit der Deutung von <em>tóbulas. </em>Es könnte als Zusammenrückung <em>*tā́+būla-s </em>‘so (nämlich zu dem, worauf die Bezeichnung des durch das jeweilige Bezugswort zum Ausdruck gebrachten Begriffes wirklich zutrifft) geworden’ = ‘die ideale Beschaffenheit des jeweiligen Begriffes erreicht habend, vollkommen’ erklärt werden. <em>Tóbulas </em>müßte in diesem Fall durch Suffixwechsel mit Austausch des vermeintlichen Suffixes <em>-</em></span><em><span style="font-family: 'Times New Roman'; color: black; font-size: 9pt; mso-fareast-font-family: 'Times New Roman'; mso-ansi-language: LT; mso-fareast-language: LT; mso-bidi-language: AR-SA;">ūla- </span></em><span style="font-family: 'Times New Roman'; color: black; font-size: 9pt; mso-fareast-font-family: 'Times New Roman'; mso-ansi-language: LT; mso-fareast-language: LT; mso-bidi-language: AR-SA;">in analogischem Anschluß an das geläufigere <em>-ula- </em>aus <em>*tābūla-s </em>entstanden sein. Für das Verbaladjektiv <em>*bū́-la- </em>wäre dabei noch eine ältere, in slavisch <em>byti </em>neben ‘sein’ erhaltene Bedeutung ‘werden’ anzunehmen.</span> |
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spelling | doaj.art-48de75f973764c8bbb2d677a9f3b5f7c2022-12-21T17:23:51ZdeuVilnius UniversityBaltistica0132-65032345-00452011-11-013917710510.15388/baltistica.39.1.664613Iš lietuvių kalbos žodžių istorijos: I. Lie. <em>gáirė;</em> II. Lie. <em><em>tóbulas</em></em>,<em><em> tób</em><em>ūlas </em></em>Birutė KabašinskaitėGert Klingenschmitt<p><strong>AUS DER LITAUISCHEN WORTGESCHICHTE: I. Lit. <em>gáir</em></strong><strong><em>ė. </em></strong><strong>II. Lit. <em>tóbulas, tóbūlas</em></strong></p><p><em>Zusammenfassung</em></p><p>1. Lit. <em>gáirė </em>‘Zugluft; zugiger Ort’, <em>gairùs </em>‘zugig’ haben, wie bisher übersehen wurde, eine Entsprechung in air. <em>gaith, </em>mir. <em>gaíth, goíth, </em>nir. <em>gaoth </em>f. ‘Wind’ < urkelt. <em>*gai̯tā-. </em>Die Grundlage der litauischen Wörter bildet ein Adjektiv <em>*gaĩra-s </em>‘zugig’, das in nlit. <em>gairùs </em>fortlebt. Vom Adjektiv <em>*gairas </em>‘zugig’ wurde mit dem Suffix <em>-ē</em> in Kombination mit Métatonie rude <em>gáirė </em>(1) als Abstraktum ‘Zugig-Sein, das dem-Zugwind-ausgesetzt-Sein’ abgeleitet. Diese Bedeutung bildet den Ausgang für eine weitere semantische Entwicklung, deren Ergebnis etwa in folgender Weise aufzufächern ist: 1. ‘Durchzug, Luftzug, Zugwind’; 2. ‘ein dem Wind ausgesetzter Ort, ein vom Wind durchwehter Ort, zugiger Ort’; 2a. ‘hochgelegener Ort, Erhebung im Gelände’; 3. ‘etwas vom Wind Bewegtes, etwas im Wind Flatterndes, das die Windrichtung anzeigt, Wetterfahne, Windfahne, Windzeiger’; 3a. ‘eine in den Boden gesteckte Stange mit einer Wetterfahne’; 3b. ‘in den Boden gesteckte Stange zur Stütze sich in die Höhe rankender Pflanzen’; 3c. ‘(allgemein) Kennzeichen, Merkmal, Markierungszeichen’. Die im Litauischen zu beobachtende Bedeutungsentwicklung läßt es möglich erscheinen, gr. <em>χαίτη</em> ‘frei herabwallendes Haar, fliegendes Haupthaar (von Menschen); Mähne (von Pferden)’ als ‘das im Wind flatternde (Haar)’ mit kelt. <em>*gai̯tā- </em>‘Wind’ unter einem urindogermanischen Ansatz <em>*g<sup>h</sup>ái̯-tah<sub>2</sub>- </em>(oder <em>*g<sup>h</sup>h<sub>2</sub>ái̯-tah<sub>2</sub>-) </em>zu vereinen. Für das Litauische wäre dann von einem Adjektiv <em>*g<sup>h</sup>a i̯-ro- </em>auszugehen.</p>2. Die Herkunft von lit. <em>tóbulas, tób</em><em>ūlas </em>kann auf zwei verschiedene Weisen erklärt werden. Bei beiden Deutungen ergibt sich die Schwierigkeit, daß mit nicht belegtem (wohl aber mit als möglicherweise vorhanden anzunehmendem) Material zu argumentieren ist. Ein Vorteil der ersten Erklärung besteht darin, daß bei der Deutung in bewährter, herkömmlicher Weise vorgegangen und mit einer geradlinig verlaufenen Bedeutungsentwicklung gerechnet wird. Im ersten Falle könnte lit. <em>tóbulas </em>als Ableitung einer zu postulierenden Wurzelform <em>*teh<sub>2</sub>-b<sup>h</sup>- </em>‘heranreifen’ (Erweiterung der Wurzel <em>*teh<sub>2</sub>-) </em>aufgefaßt werden. Die Bedeutung ‘vollkommen’ wäre dann aus einem ‘zur Reife gelangt, bis zur vollen Reife und der damit verbundenen Ausbildung seiner idealen Beschaffenheit herangewachsen’ hervorgegangen. Das Material, das den Ansatz einer bisher nicht registrierten Wurzel <em>*teh<sub>2</sub>- </em>‘zur Reife heranwachsen, heranreifen’ nahelegt, ist folgendes: 1. lit. <em>atólas, </em>lett. <em>atāls, attals, </em>preuß. <em>attolis </em>‘Grummet’ < urbalt. <em>*attā́la-s; </em>nbulg. <em>otáva, </em>skr. <em>òtava, </em>russ. <em>otáva </em>u. a. ‘Grummet’ < urslav. <em>*oˈtava; </em>den baltischen und slavischen Wörtern liegen die Adjektiva <em>*at+ˈtā́-la-s </em>bzw. <em>*at + ˈtā́-u̯a-s </em>‘wieder nachgewachsen, sich wieder erholt habend’ < ‘wieder zur Reife herangewachsen’ zugrunde; 2. <em>gr. τα̃λις</em>‘junges heiratsfähiges Mädchen’ < <em>*táh<sub>2</sub>-li- </em>und <em>lit. talõkas </em>‘geschlechtsreifer junger Mann; mannbares Mädchen’ Weiterbildung von <em>*tala- < *tǝ<sub>2</sub>-lo- </em>‘zur Reife herangewachsen’. Mit größeren Schwierigkeiten behaftet ist und weniger orthodox wirkt eine zweite Möglichkeit der Deutung von <em>tóbulas. </em>Es könnte als Zusammenrückung <em>*tā́+būla-s </em>‘so (nämlich zu dem, worauf die Bezeichnung des durch das jeweilige Bezugswort zum Ausdruck gebrachten Begriffes wirklich zutrifft) geworden’ = ‘die ideale Beschaffenheit des jeweiligen Begriffes erreicht habend, vollkommen’ erklärt werden. <em>Tóbulas </em>müßte in diesem Fall durch Suffixwechsel mit Austausch des vermeintlichen Suffixes <em>-</em><em>ūla- </em>in analogischem Anschluß an das geläufigere <em>-ula- </em>aus <em>*tābūla-s </em>entstanden sein. Für das Verbaladjektiv <em>*bū́-la- </em>wäre dabei noch eine ältere, in slavisch <em>byti </em>neben ‘sein’ erhaltene Bedeutung ‘werden’ anzunehmen.<span id="mce_marker"> </span><p class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; mso-layout-grid-align: none;"><span style="font-family: Times New Roman;"><strong><span style="color: black; font-size: 9pt; mso-ansi-language: DE;" lang="DE">AUS DER LITAUISCHEN WORTGESCHICHTE: I. Lit. <em>gáir</em></span></strong><strong><em><span style="color: black; font-size: 9pt; mso-ansi-language: LT;">ė. </span></em></strong><strong><span style="color: black; font-size: 9pt; mso-ansi-language: LT;">II. Lit. <em>tóbulas, tóbūlas</em></span></strong></span></p><p class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; mso-layout-grid-align: none;"><em><span style="color: black; font-size: 9pt; mso-ansi-language: LT;"><span style="font-family: Times New Roman;">Zusammenfassung</span></span></em></p><p class="MsoNormal" style="margin: 0cm 0cm 0pt; mso-layout-grid-align: none;"><span style="font-family: Times New Roman;"><span style="color: black; font-size: 9pt; mso-ansi-language: LT;">1. Lit. <em>gáirė </em>‘Zugluft; zugiger Ort’, <em>gairùs </em>‘zugig’ haben, wie bisher übersehen wurde, eine Entsprechung in air. <em>gaith, </em>mir. <em>gaíth, goíth, </em>nir. <em>gaoth </em>f. ‘Wind’ < urkelt. <em>*gai̯tā-. </em>Die Grundlage der litauischen Wörter bildet ein Adjektiv <em>*gaĩra-s </em>‘zugig’, das in nlit. <em>gairùs </em>fortlebt. Vom Adjektiv <em>*gairas </em>‘zugig’ wurde mit dem Suffix <em>-ē</em> in Kombination mit Métatonie rude <em>gáirė </em>(1) als Abstraktum ‘Zugig-Sein, das dem-Zugwind-ausgesetzt-Sein’ abgeleitet. Diese Bedeutung bildet den Ausgang für eine weitere semantische Entwicklung, deren Ergebnis etwa in folgender Weise aufzufächern ist: 1. ‘Durchzug, Luftzug, Zugwind’; 2. ‘ein dem Wind ausgesetzter Ort, ein vom Wind durchwehter Ort, zugiger Ort’; 2a. ‘hochgelegener Ort, Erhebung im Gelände’; 3. ‘etwas vom Wind Bewegtes, etwas im Wind Flatterndes, das die Windrichtung anzeigt, Wetterfahne, Windfahne, Windzeiger’; 3a. ‘eine in den Boden gesteckte Stange mit einer Wetterfahne’; 3b. ‘in den Boden gesteckte Stange zur Stütze sich in die Höhe rankender Pflanzen’; 3c. ‘(allgemein) Kennzeichen, Merkmal, Markierungszeichen’. Die im Litauischen zu beobachtende Bedeutungsentwicklung läßt es möglich erscheinen, gr. <em>χαίτη</em> ‘frei herabwallendes Haar, fliegendes Haupthaar (von Menschen); M</span><span style="color: black; font-size: 9pt; mso-ansi-language: DE;" lang="DE">ähne (von Pferden)’ als ‘das im Wind flatternde (Haar)’ mit kelt. <em>*gai̯tā- </em>‘Wind’ unter einem urindogermanischen Ansatz <em>*g<sup>h</sup>ái̯-tah<sub>2</sub>- </em>(oder <em>*g<sup>h</sup>h<sub>2</sub>ái̯-tah<sub>2</sub>-) </em>zu vereinen. Für das Litauische wäre dann von einem Adjektiv <em>*g<sup>h</sup>a i̯-ro- </em>auszugehen.</span></span></p><span style="font-family: 'Times New Roman'; color: black; font-size: 9pt; mso-fareast-font-family: 'Times New Roman'; mso-ansi-language: DE; mso-fareast-language: LT; mso-bidi-language: AR-SA;" lang="DE">2. Die Herkunft von lit. <em>tóbulas, tób</em></span><em><span style="font-family: 'Times New Roman'; color: black; font-size: 9pt; mso-fareast-font-family: 'Times New Roman'; mso-ansi-language: LT; mso-fareast-language: LT; mso-bidi-language: AR-SA;">ūlas </span></em><span style="font-family: 'Times New Roman'; color: black; font-size: 9pt; mso-fareast-font-family: 'Times New Roman'; mso-ansi-language: LT; mso-fareast-language: LT; mso-bidi-language: AR-SA;">kann auf zwei verschiedene Weisen erklärt werden. Bei beiden Deutungen ergibt sich die Schwierigkeit, daß mit nicht belegtem (wohl aber mit als möglicherweise vorhanden anzunehmendem) Material zu argumentieren ist. Ein Vorteil der ersten Erklärung besteht darin, daß bei der Deutung in bewährter, herkömmlicher Weise vorgegangen und mit einer geradlinig verlaufenen Bedeutungsentwicklung gerechnet wird. Im ersten Falle könnte lit. <em>tóbulas </em>als Ableitung einer zu postulierenden Wurzelform <em>*teh<sub>2</sub>-b<sup>h</sup>- </em>‘heranreifen’ (Erweiterung der Wurzel <em>*teh<sub>2</sub>-) </em>aufgefaßt werden. Die Bedeutung ‘vollkommen’ wäre dann aus einem ‘zur Reife gelangt, bis zur vollen Reife und der damit verbundenen Ausbildung seiner idealen Beschaffenheit herangewachsen’ hervorgegangen. Das Material, das den Ansatz einer bisher nicht registrierten Wurzel <em>*teh<sub>2</sub>- </em>‘zur Reife heranwachsen, heranreifen’ nahelegt, ist folgendes: 1. lit. <em>atólas, </em>lett. <em>atāls, attals, </em>preuß. <em>attolis </em>‘Grummet’ < urbalt. <em>*attā́la-s; </em>nbulg. <em>otáva, </em>skr. <em>òtava, </em>russ. <em>otáva </em>u. a. ‘Grummet’ < urslav. <em>*oˈtava; </em>den baltischen und slavischen Wörtern liegen die Adjektiva <em>*at+ˈtā́-la-s </em>bzw. <em>*at + ˈtā́-u̯a-s </em>‘wieder nachgewachsen, sich wieder erholt habend’ < ‘wieder zur Reife herangewachsen’ zugrunde; 2. <em>gr. τα̃λις</em>‘junges heiratsf</span><span style="font-family: 'Times New Roman'; color: black; font-size: 9pt; mso-fareast-font-family: 'Times New Roman'; mso-ansi-language: DE; mso-fareast-language: LT; mso-bidi-language: AR-SA;" lang="DE">ähiges Mädchen’ < <em>*táh<sub>2</sub>-li- </em>und <em>lit. talõkas </em>‘geschlechtsreifer junger Mann; mannbares Mädchen’ Weiterbildung von <em>*tala- < *tǝ<sub>2</sub>-lo- </em>‘zur Reife herangewachsen’. Mit größeren Schwierigkeiten behaftet ist und weniger orthodox wirkt eine zweite Möglichkeit der Deutung von <em>tóbulas. </em>Es könnte als Zusammenrückung <em>*tā́+būla-s </em>‘so (nämlich zu dem, worauf die Bezeichnung des durch das jeweilige Bezugswort zum Ausdruck gebrachten Begriffes wirklich zutrifft) geworden’ = ‘die ideale Beschaffenheit des jeweiligen Begriffes erreicht habend, vollkommen’ erklärt werden. <em>Tóbulas </em>müßte in diesem Fall durch Suffixwechsel mit Austausch des vermeintlichen Suffixes <em>-</em></span><em><span style="font-family: 'Times New Roman'; color: black; font-size: 9pt; mso-fareast-font-family: 'Times New Roman'; mso-ansi-language: LT; mso-fareast-language: LT; mso-bidi-language: AR-SA;">ūla- </span></em><span style="font-family: 'Times New Roman'; color: black; font-size: 9pt; mso-fareast-font-family: 'Times New Roman'; mso-ansi-language: LT; mso-fareast-language: LT; mso-bidi-language: AR-SA;">in analogischem Anschluß an das geläufigere <em>-ula- </em>aus <em>*tābūla-s </em>entstanden sein. 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