Liebe, Polyamorie und (kein) Sex

Polyamorie ist romantische Liebe, die sich auf mindestens zwei Personen bezieht oder beziehen kann. Eine solche Definition klingt leichter als sie es tatsächlich ist. Um eine genaue und adäquate Analyse von Polyamorie zu leisten, muss, erstens, geklärt werden, was Liebe – die hier allein als romant...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Elke Elisabeth Schmidt
Format: Article
Language:deu
Published: Universität Salzburg 2023-12-01
Series:Zeitschrift für Praktische Philosophie
Subjects:
Online Access:https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/406
_version_ 1797364500820656128
author Elke Elisabeth Schmidt
author_facet Elke Elisabeth Schmidt
author_sort Elke Elisabeth Schmidt
collection DOAJ
description Polyamorie ist romantische Liebe, die sich auf mindestens zwei Personen bezieht oder beziehen kann. Eine solche Definition klingt leichter als sie es tatsächlich ist. Um eine genaue und adäquate Analyse von Polyamorie zu leisten, muss, erstens, geklärt werden, was Liebe – die hier allein als romantische Liebe thematisiert wird – überhaupt ist. Sie ist, so soll gezeigt werden, ein spezifisches dispositionales Emotionsmuster, das eine besonders starke Form der subjektiven Bedeutsamkeit konstituiert. Auf dem Hintergrund dieses Verständnisses von romantischer Liebe im Allgemeinen soll dann, zweitens, gezeigt werden, dass polyamore Liebe keine andere Form der Liebe ist als monoamore Liebe, sondern sich als romantische Liebe allein durch die divergierende Anzahl der Personen, die Gegenstand der Liebe sind, von monoamorer Liebe unterscheidet; besonderer Auszeichnungen wie verantwortlich oder konsensuell, wie sie in der Literatur geläufig sind, bedarf eine so verstandene polyamore Liebe, um sie hinreichend zu definieren, also nicht. Beachtet man aber, dass es eine Sache ist, polyamore Liebe, verstanden als emotionales Phänomen, zu definieren, und eine durchaus ganz andere Sache, polyamore Beziehungen zu definieren, bleibt Raum für die Frage, wann genau eine Beziehungskonstellation eigentlich polyamor ist, oder wann eine polyamore Person einfach nur mehrere Personen liebt, ohne dass die entstehende Beziehungskonstellation als solche aber polyamor wäre. Schließlich soll, drittens, das Verhältnis von Polyamorie und Sexualität beleuchtet werden. Auch wenn Sexualität für gewöhnlich als eines der hervorstechenden Elemente der romantischen Liebe verstanden wird, gehört sie gar nicht notwendig zu ihr – und jedenfalls hätte die Behauptung, dass eine notwendige Beziehung zwischen Polyamorie und gelebter Sexualität besteht, begrifflich-normative Konsequenzen, die man wohl gar nicht haben will. Es wird gezeigt, warum es keine notwendige Beziehung zwischen Liebe und Sexualität gibt – weder zwischen monoamorer noch zwischen polyamorer Liebe und Sexualität. Auch asexuelle polyamore (romantische) Liebe ist somit möglich.
first_indexed 2024-03-08T16:36:12Z
format Article
id doaj.art-5a2a11cf08ee46daadbd3deae0830bd0
institution Directory Open Access Journal
issn 2409-9961
language deu
last_indexed 2024-03-08T16:36:12Z
publishDate 2023-12-01
publisher Universität Salzburg
record_format Article
series Zeitschrift für Praktische Philosophie
spelling doaj.art-5a2a11cf08ee46daadbd3deae0830bd02024-01-05T16:16:50ZdeuUniversität SalzburgZeitschrift für Praktische Philosophie2409-99612023-12-0110210.22613/zfpp/10.2.6Liebe, Polyamorie und (kein) SexElke Elisabeth Schmidt0Universität Siegen Polyamorie ist romantische Liebe, die sich auf mindestens zwei Personen bezieht oder beziehen kann. Eine solche Definition klingt leichter als sie es tatsächlich ist. Um eine genaue und adäquate Analyse von Polyamorie zu leisten, muss, erstens, geklärt werden, was Liebe – die hier allein als romantische Liebe thematisiert wird – überhaupt ist. Sie ist, so soll gezeigt werden, ein spezifisches dispositionales Emotionsmuster, das eine besonders starke Form der subjektiven Bedeutsamkeit konstituiert. Auf dem Hintergrund dieses Verständnisses von romantischer Liebe im Allgemeinen soll dann, zweitens, gezeigt werden, dass polyamore Liebe keine andere Form der Liebe ist als monoamore Liebe, sondern sich als romantische Liebe allein durch die divergierende Anzahl der Personen, die Gegenstand der Liebe sind, von monoamorer Liebe unterscheidet; besonderer Auszeichnungen wie verantwortlich oder konsensuell, wie sie in der Literatur geläufig sind, bedarf eine so verstandene polyamore Liebe, um sie hinreichend zu definieren, also nicht. Beachtet man aber, dass es eine Sache ist, polyamore Liebe, verstanden als emotionales Phänomen, zu definieren, und eine durchaus ganz andere Sache, polyamore Beziehungen zu definieren, bleibt Raum für die Frage, wann genau eine Beziehungskonstellation eigentlich polyamor ist, oder wann eine polyamore Person einfach nur mehrere Personen liebt, ohne dass die entstehende Beziehungskonstellation als solche aber polyamor wäre. Schließlich soll, drittens, das Verhältnis von Polyamorie und Sexualität beleuchtet werden. Auch wenn Sexualität für gewöhnlich als eines der hervorstechenden Elemente der romantischen Liebe verstanden wird, gehört sie gar nicht notwendig zu ihr – und jedenfalls hätte die Behauptung, dass eine notwendige Beziehung zwischen Polyamorie und gelebter Sexualität besteht, begrifflich-normative Konsequenzen, die man wohl gar nicht haben will. Es wird gezeigt, warum es keine notwendige Beziehung zwischen Liebe und Sexualität gibt – weder zwischen monoamorer noch zwischen polyamorer Liebe und Sexualität. Auch asexuelle polyamore (romantische) Liebe ist somit möglich. https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/406LiebePolyamorieSexualitätAsexualitätEmotion
spellingShingle Elke Elisabeth Schmidt
Liebe, Polyamorie und (kein) Sex
Zeitschrift für Praktische Philosophie
Liebe
Polyamorie
Sexualität
Asexualität
Emotion
title Liebe, Polyamorie und (kein) Sex
title_full Liebe, Polyamorie und (kein) Sex
title_fullStr Liebe, Polyamorie und (kein) Sex
title_full_unstemmed Liebe, Polyamorie und (kein) Sex
title_short Liebe, Polyamorie und (kein) Sex
title_sort liebe polyamorie und kein sex
topic Liebe
Polyamorie
Sexualität
Asexualität
Emotion
url https://www.praktische-philosophie.org/zfpp/article/view/406
work_keys_str_mv AT elkeelisabethschmidt liebepolyamorieundkeinsex