Auf dem Weg in die postfaktische Politik?

Die Erfolge von Politikern wie Donald Trump und Boris Johnson sowie von Parteien wie der AfD haben dazu geführt, dass mit Begriffen wie Desinformation, dem so genannten Bullshit oder Post-Truth Politics bzw. postfaktischer Politik bewusste Verstöße gegen die Wahrheitsnorm bzw. eine wachsende Irrelev...

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Bibliographic Details
Main Authors: Olaf Hoffjann, Lucas Seeber
Format: Article
Language:deu
Published: Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG 2021-11-01
Series:Medien & Kommunikationswissenschaft
Online Access:https://www.nomos-elibrary.de/10.5771/1615-634X-2021-4-483
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author Olaf Hoffjann
Lucas Seeber
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description Die Erfolge von Politikern wie Donald Trump und Boris Johnson sowie von Parteien wie der AfD haben dazu geführt, dass mit Begriffen wie Desinformation, dem so genannten Bullshit oder Post-Truth Politics bzw. postfaktischer Politik bewusste Verstöße gegen die Wahrheitsnorm bzw. eine wachsende Irrelevanz von Wahrheit in der strategischen politischen Kommunikation intensiv diskutiert werden. Im Mittelpunkt dieses Beitrags steht die erweiterte Perspektive postfaktischer Politik, die in Deutschland empirisch bislang kaum erforscht ist. Für die Existenz einer solchen postfaktischen Politik ist vor allem die Unterstellung derselben relevant. Der reflexive Charakter postfaktischer Politik impliziert, dass man nicht nur selbst postfaktische Politik unterstellt, sondern auch anderen unterstellt, dass sie von einer solchen postfaktischen Politik ausgehen. Dabei kann zwischen zwei Typen unterschieden werden: „Postfaktische Bürgerinnen“ unterstellen Politikerinnen eine weitgehende Gleichgültigkeit gegenüber der Wahrheit. „Postfaktische Akteurinnen“ erachten einen solchen gleichgültigen Umgang mit der Wahrheit für legitim. Diese Aspekte stehen im Mittelpunkt dieses Beitrags: Wie bewerten Politikerinnen, Pressesprecherinnen und Journalistinnen die Verbreitung und Akzeptanz von Lügen und Bullshit in Deutschland? In welchem Ausmaß nehmen sie sich selbst als Teil einer postfaktischen Politik wahr? Und ergänzend: Wie reagieren Journalistinnen auf Politikerinnen, denen sie eine fehlende Relevanz der Wahrheit unterstellen. Dazu wurden in einer Onlinebefragung insgesamt 758 Abgeordnete des Bundestages und aller Landtage, der Mitglieder der Bundespressekonferenz und aller Landespressekonferenzen sowie Pressesprecherinnen von Parteien, Fraktionen und Ministerien auf Bundes- und Landesebene befragt. Die Ergebnisse zeigen u. a., dass etwas mehr als die Hälfte der Befragten sich in einer postfaktischen Demokratie wähnt, während mehr als 90 Prozent der Befragten eine Politik erwarten, die ernsthaft, verbindlich und mit Wahrheitsanspruch auftritt.
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